Via Dolorosa Jerusalem

Das auf der Karte ist Jerusalem bzw. ein kleiner Teil davon. Das Helle in der Mitte ist die hoch umstrittene Altstadt, da wo die Heiligtümer der drei Weltreligionen Christentum, Islam und Judentum dicht an dicht aneinander gepackt liegen.

Der rote Strich ist die Via Dolorosa, die Strecke die Jesus vom Amtssitz des Pontius Pilatus bis zum Golgotha Hügel teils mit seinem Kreuz beladen zurück legen musste. Mitten drin also. Und da beginnt das Konstrukt meiner Vorstellungswelt bereits zu wackeln.

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Map tiles by Stamen Design, under CC BY 3.0. Data by OpenStreetMap, under CC BY SA.

Früher mal, vor über 2000 Jahren lag dieser Weg teilweise außerhalb der Stadt. Golgotha, der Hinrichtungshügel war das Ende des Leidensweges. Heute steht da die Grabeskirche. Ein Hügel ist nicht mehr erkennbar. Und überhaupt fordert die riesige Kirche mein Vorstellungsvermögen stark heraus. Golgotha auf dem Jesus gekreuzigt wurde bis hin zu seiner Felsengruft, die dem Mythos zu Folge mit einem gewaltigen Stein verschlossen wurde, liegen heute überdacht in der Grabeskirche in Form von Kapellen. Mein Gefühl für Distanz und Fläche ist davon deutlich gestört.

Die Stelle wo er ans Kreuz genagelt wurde ist eine römisch-katholische Kapelle, wo sein Kreuz aufgestellt wurde eine griechisch-orthodoxe. Den Schlüssel für die Grabeskirche hält bis heute eine muslimische Familie, weil sich die christlichen Gruppierungen nicht einigen können, wem er rechtmäßig und nach Gottes Willen eigentlich zusteht.

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Hätte ich diesen Weg spirituell nachempfinden wollen, hätten mich die Massen an Reisegruppen, die Autos, die sich gemeinsam mit den Pilgern durch die engen Gassen drücken und die Luft mit Abgasen füllen, die Basargeschäfte rechts und links und der Duft von Kardamom-Kaffee irritiert.

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Ich bewundere die gläubig in sich versunkenen Pilger ein bisschen. Der Trubel scheint ihnen nichts auszumachen. Eine asiatische Gruppe hält an jeder der 14 Kreuzwegstationen. Sie singen und beten, einige weinen. Ein paar Meter weiter wird ein äthiopischer Gottesdienst abgehalten. Wir stehen dazwischen. Die Gesänge überschneiden sich.

Das kommt hier häufig vor. Kirchenglocken, Muezin und Rabbi-Gesang erklingen hintereinander, ineinander zusammengefügt. Dann strömen hunderte von Gläubigen durch die Stadt und werden von ebenfalls hunderten von Soldaten abgesichert. Zur jüdischen Gebetszeit verdreifacht sich die Militärpräsenz in der gesamten Altstadt.

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In der Grabeskirche ist es dagegen still und scheinbar andächtig. Am Salbungsstein brechen einige in Tränen aus, minutenlang und intensiv. Ich mach mir Sorgen, weiß aber nicht um wen, vielleicht um mich selbst, weil mich der Ort nicht so berührt wie die anderen Anwesenden. Aber hier hat man immerhin die Zeit dafür.

Im Heiligen Grab erhält man mit viel Glück vielleicht fünf Sekunden, um hastig etwas zu liebkosen und sich beim Eintreten wieder im Austreten zu wähnen. Nicht mal der Kerze, die man danach entzündet wird die entsprechende Zeit gewährt, um gemächlich runter zu brennen. Kaum dreht man ihr den Rücken zu wird sie von einem Mann Gottes ausgepustet und an den nächsten Gläubigen weiterverkauft.

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CategoriesAllgemein
Marianna

Marianna ist Hamburgerin mit griechischen Wurzeln, studierte in Berlin Literatur-, Kultur- und Rechtswissenschaften und arbeitete in Indien, Griechenland und München. Sie lebt in Berlin, ist als Autorin, Webdesignerin und Fotografin tätig und ist süchtig nach frischem Koriander.

  1. anne says:

    Du hast so Recht! Noch schlimmer ist fast nur die Stätte in Bethlem, an der Jesus geboren wurde- heute steht da eine Kapelle voller Kitschkram, in eine Nische kann Geld geworfen werden (wofür?) und der Weg dorthin ist schwieriger als damals für Josef und Maria und Grenzen, Panzer und Soldaten begleiten Dich.
    Übrigens hast Du mal wieder sehr schöne Bilder gemacht- fangen toll die Stimmung ein!

    1. Marianna says:

      Interessant, dass du es auch so empfunden hast. Ja, die Geburtskirche in Bethlehem ist auch ein ganz spezielles Erlebnis ;) Ich war erstaunt, dass der Andrang dort noch größer war. Ich glaub mit einer Stunde anstehen, um den exakten Ort von Jesus Krippe zu sehen muss man schon rechnen.

  2. Martina says:

    Toller Bericht und super Fotos! Mich würde eine Reise nach Jerusalem auch sehr reizen (bislang fehlt mir die Reisebegleitung und/oder der Mut :-) deshalb cool, dass ich das hier schon mal mit erleben kann! LG Martina

    1. Marianna says:

      Danke Martina. Ja, Mut hör ich häufiger in Bezug auf Israel. In dem Fall wiederhol ich mich gern: und zwar haben wir uns wirklich sicher gefühlt egal, wo dort auch in der hochfrequentierten Altstadt in Jerusalem. VG

  3. inka says:

    Jup, den Kontrast zu Dennis find ich auch mal spannend. ;) Ich werd im September hinfahren, juchu, freu mich schon, inklusive israelischer Begleitung, was ja immer fein ist, und bin sooo gespannt, und, öhm, FAST am überlegen, ob man sich die via dolorosa echt antun muss… hmhm…
    Wunderschöne Fotos.
    LG /inka

    1. Marianna says:

      Viel Spaß wünsch ich dir liebe Inka. Um die Via Dolorosa kommst du nicht umhin, die ist wahnsinnig zentral und ich find, auch wenn es ganz anders war als erwartet, auf jeden Fall sehenswert. LG

  4. Summer says:

    Interessanter Bericht. Danke für die schönen Bilder. Mich zieht es auch schon länger nach Jerusalem. Ich hoffe es bald in Verbindung mit einer Kreuzfahrt machen zu können.

    1. Marianna says:

      Hey Dennis, ja unglaublicher Zufall. Ich war leicht “geschockt” als ich die Meldung zu deinem Artikel gesehen hab ;) Ist doch nicht möglich so ein Zufall, dachte ich. Aber spannend, dass wir scheinbar an unterschiedlichen Orten unterwegs waren, was man ja glatt vermuten könnte, wenn man beides liest. Bin gespannt auf deinen zweiten Teil. VG

  5. Jutta says:

    Noch ein schöner Bericht und klasse Fotos. Überall Souvenirs und Leckereien zum Verkauf.
    Das mit die Kerzen ist mir bekannt. Es ist schön das alles mal gesehen zu haben.

  6. M.B. says:

    Jerusalem ist eine Stadt voller Widersprüche. 2011 war ich selbst in Israel und gerade Jerusalem hat einen bleibenden Eindruck auf mich hinterlassen. Du hast die Atmosphäre dort auf Deinen Bildern übrigens gut vermittelt.
    Ähnlich wie Du, fand ich das Treiben auf der Via Dolorosa eher abschreckend – nach ein paar Minuten habe ich mich zurückgezogen und in einer Seitengasse einen frisch gepressten Granatapfelsaft getrunken. Bei einem armenischen Händler.
    Trotzdem konnte ich einige „heilige“ Momente erleben: Am Teich Bethesda. Warst Du auch dort? Neben den eigentlichen Becken gibt es eine sehr schöne Kirche. Und gerade als ich hinein gegangen bin, hat eine asiatische Reisegruppe angefangen zu singen. Es war himmlisch.
    Oder auch am Grab (Du erwähnst es in Deinem Artikel), feierte eine indische Gemeinde Gottesdienst, sehr innig.
    Auf jeden Fall ist Jerusalem ein Reise wert.

    1. Marianna says:

      Hallo Maik, schön, dass du besondere Momente erlebt hast. Nein, am Teich Bethesda war ich leider nicht. Aber es lohnt sich meinst du? VG

  7. M.B. says:

    Ja, auf jeden Fall lohnt es sich Bethesda zu besuchen! Oder auch das armenische Viertel. Diese Bevölkerungsgruppe geht in dem ganzen Getümmel der verschiedenen Gemeinschaften ein wenig unter.
    Und noch ein wirklich ganz „erhebendes“ Erlebnis ist ein Rundgang auf der Stadtmauer. An einem der vielen Tore gibt es einen schmalen Aufstieg, hoch auf die Mauer. Jerusalem von oben ist ein Mix aus den verschiedenen Kulturen – man läuft sozusagen von einem Viertel in das nächste.
    ich bin gespannt auf Deinen nächsten Artikel

    VG

    1. Marianna says:

      Ach jetzt weiß ich was du meinst. Die Zisterne Bethesda in Jerusalem. Ich war durch “Teich” einwenig verwirrt. Ja, doch klar war ich da, und auch im armenischen Viertel. Die Stadt von oben fand ich auch ziemlich faszinierend. Der nächste Artikel wird sich auch wieder um Jerusalem drehen. VG

  8. Pingback:Wochenrückblick 05/2013 | Kristine Honig

  9. Miri says:

    Hahaaa, traumhaft beschrieben! Also zuallererst: ich bin Christin. Ich habe sogar mal drei Jahre lang Theologie studiert. Ich hatte durchaus den ein oder anderen erhebenden Gänsehautmoment in Jerusalem. Aber zu den Händlern und Verkaufsständen in den Gassen und all den Menschen, die einen Marmorstein mit ihren Tüchern polieren, weil dort angeblich Jesus gesalbt wurde (ich meine hey- wer sagt mir, dass er nicht eher drei Meter weiter links gesalbt wurde… oder vielleicht doch 2,5 Kilometer weiter nordöstlich???) mal kurz Markus 11, 15-17 an dieser Stelle: „15Und sie kamen nach Jerusalem. Und Jesus ging in den Tempel und fing an auszutreiben die Verkäufer und Käufer im Tempel; und die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenhändler stieß er um 16und ließ nicht zu, dass jemand etwas durch den Tempel trage. 17Und er lehrte und sprach zu ihnen: Steht nicht geschrieben (Jesaja 56,7): »Mein Haus soll ein Bethaus heißen für alle Völker«? Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht. (…)“ …ein Traum… es hat sich nix geändert… :-))))))))) LG

    1. Marianna says:

      Liebe Miri,

      jap, hat sich nicht viel geändert. :D
      Weises Buch, diese Bibel ;)

      Aber genau weil sich nicht so viel ändert im alten Jerusalem ist die Stadt ja auch so faszinierend.

      LG
      Marianna

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