Biiiibibibib biiiibibibib  biiiibibibib… Unsanft werde ich aus meinen Träumen gerissen. Ist es wirklich schon Zeit aufzustehen? Bin ich nicht erst eingeschlafen? Schlaftrunken schalte ich meinen Wecker aus. Dennoch erklingt wenige Sekunden später erneut ein schriller Alarmton. Wie kann das sein? Ich greife nochmals nach meinem Smartphone, doch es klingelt weiter…  Erst jetzt realisiere ich, dass es dieses Mal nicht mein Verschulden ist.

Im Zwei-Minuten-Takt ertönt ein Klingelton im Zimmer. Einer nervtötender als der andere. Alle im Schlafsaal haben sich vorgenommen mitten in der Nacht aus den Federn zu hüpfen, um pünktlich bei Sonnenaufgang bei den Ruinen des Angkor Wats zu stehen. Doch wenn es soweit ist, verwerfen die meisten ihre Pläne wieder, drehen sich auf die andere Seite und schlafen weiter.

Auch ich tue mich schwer ehe ich müde aus dem Bett torkle und mir auf dem Gang zur Toilette drei mal überlege, ob ich nicht doch wieder zurück unter die warme Bettdecke kriechen sollte.

Bild-1

Unterwegs zum Tempel bereue ich meine Entscheidung dann auch – im morgendlichen Nebel friere ich mir den Arsch ab. Der Amerikanerin, welche ich am gestrigen Abend an der Hostel Bar kennengelernt habe und sich jetzt mit mir ein Tuk Tuk teilt, geht es genauso.

Unser Fahrer hält beim Ticketoffice und wir steigen aus, um uns eine Eintrittskarte zu kaufen. Es ist erst fünf Uhr in der Früh, doch die Schlange ist lang – der Besuch des UNESCO Weltkulturerbes ist beliebt.

Bild2 Bild3

Beim Ziel angekommen, sind die besten Plätze bereits besetzt. Wir setzten uns daher erst einmal etwas abseits ins feuchte Gras und warten bis die Nacht zum Tag übergeht. Aus der Ferne hören wir das Klicken der Fotoapparate.

Die Sonne geht direkt hinter dem Tempel auf und so wird es bereits hell, bevor sie überhaupt zu erkennen ist. Erst im Licht kommt die Schönheit des Tempels gänzlich zur Vorschau und verschlägt mir sogleich die Sprache. Was für ein Meisterwerk menschlicher Baukunst! Respektvoll ziehe ich meinen imaginären Hut vor den Menschen, die diese Stadt aus Tempeln vor beinahe tausend Jahren Stein um Stein erschaffen haben.

Bild4

Viele der Touristen haben es eilig. Angkor Wat ist nur einer der vielen Tempel, die es zu bestaunen gibt. Die meisten Besucher haben sich deshalb ein straffes Tagesprogramm auferlegt.

Als sich die Sonne schliesslich hinter dem Tempel hervortraut sind viele schon weg. Sogar an der besten Fotostelle könnte ich nun beide Arme ausbreiten und mich im Kreise drehen ohne jemanden zu berühren – verrückt! Jetzt, wo es am Schönsten ist!

Die ganzen Strapazen sind vergessen und wir sind unendlich froh, es aus dem Bett geschafft zu habe.

Bild5 Bild6.5

Kaum kitzeln uns die ersten Sonnenstrahlen, beginnen wir zu schwitzen. Also setzen wir uns in den Schatten und frühstücken. Die Preise auf der Karte sind wenig überraschend und doch unverschämt hoch. Wir verhandeln hartnäckig und so schreibt die junge kambodschanische Kellnerin den Preis auf ein Blatt Papier, damit keiner der anderen Gäste Verdacht schöpft.

Als wir mit vollem Magen endlich ins Innere des Tempels schlendern, sind die Massen schon weg.

Bild7 Bild8 Bild9 Bild10

Gemächlich bestaunen wir die verschiedenen Bauten und die aufwändig gefertigten Stuckaturen an den Wänden. Stunde um Stunde verstreicht, ohne dass wir es bemerken. Zu sehr sind wir mit der Schönheit dieses Kunstwerks beschäftigt.

In meinem Kopf begebe ich mich auf Zeitreise. Ich stelle mir vor, wie es wohl gewesen sein mag in dieser Hochkultur zu leben. Zu einer Zeit, so ganz anders als die heutige. Wie die Menschen ausgesehen haben, ihre Körperformen, ihre Kleidung, ihre Frisuren.

„Let’s go back. It’s too hot!“ Die Amerikanerin reisst mich aus meinen Gedanken. Sie hat recht, ich bin durchgeschwitzt. Bereits die kleinste Treppe bedeutet grenzenlose Anstrengung.

Bild15 Bild16 Bild17

Auf dem Weg zurück zu unserem Tuk Tuk ist das knallrote T-Shirt unseres Fahrers schon von weitem zu erkennen. Er will uns zum nächsten Tempel fahren, doch wir winken ab: „Tomorrow!“

Morgen ist auch noch ein Tag.

CategoriesAllgemein
Norah Steiner

Entscheidungen treffen gehört definitiv nicht zu ihren Stärken. Besonders wenn es darum geht, wo die nächste Reise hingehen soll – es gibt einfach zu viele spannende Orte zu entdecken! An einigen war sie aber bereits schon. Die Geschichten davon sammelt sie auf ihrem Blog Weltumschreibung.

  1. Norah says:

    Danke Susanne! Im Angkor Wat selbst war ich bestimmt fünf Stunden, was wohl überdurchschnittlich lange ist. Ich bin aber generell immer sehr langsam ;)

    Für die gesamten Tempelanlagen von Angkor werden Eintrittskarten für ein, drei oder sieben Tage verkauft. Ich habe mich für drei Tage entschieden und war damit sehr glücklich.

    Ein Tag wäre definitiv zu wenig gewesen, da das ganze Areal unglaublich viele Tempel umfast. Besonders die Besichtigung von Bayon, mit den meterhohen, aus Stein gemeißelten Gesichtern und Ta Prohm, in dem mystisch halbverfallenen Zustand lohnt sich sehr!

    Auch nach sieben Tagen hätte man wohl noch nicht alles gesehen, doch meiner Meinung nach erschöpft sich das Ganze irgendwann auch ein wenig und so hatte ich nach drei Tagen bereits genug.

    Es sei angeblich sehr schön mit dem Fahrrad von Tempel zu Tempel zu fahren – das war auch mein Plan, nur leider hat mich die Hitze dann doch davon abgehalten :)

    1. Norah says:

      Danke Marie. Ja! Es lohnt sich! Auch sonst ist Kambodscha ein sehr schönes Land, mit einer interessanten (aber leider auch sehr traurigen) Geschichte. Definitiv eine Reise wert!

    1. Norah says:

      Vielen Dank Patrick! Nach Myanmar hab ichs leider noch nicht geschafft – hoffentlich bald! Das mit den Menschenmassen glaub ich dir sofort, Bagan wird auch immer beliebter bei den Touristen…. Wenn ich mir Fotos davon anschaue, verstehe ich warum :)

  2. Stunning shots of a beautiful place, world heritage… Its beauty and state of preservation, is unrivaled. I got this feeling of being caught up onto the heavens when I see all these fantastic images of Angkor Wat. Great post, thanks Norah!

  3. Andreas says:

    Die Erzählung von der Reise zu diesem beeindruckenden Tempelkomplex ist nicht nur informativ, sondern auch sehr persönlich und inspirierend. Die authentischen Eindrücke und die Mission, dieses Wunder der Welt zu erkunden, machen den Beitrag zu einem echten Abenteuer. Danke für diese fesselnde Reiseerzählung!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.