An meinem ersten Tag in der fremden Stadt: Der Schnee, auf den ich in Deutschland vergeblich wartete und hier nie erwartet hätte, türkischer Kaffee und das tolle Gefühl endlich in der Stadt zu sein, in die ich schon seit Ewigkeiten reisen wollte – Hallo Istanbul, du Schöne.

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Die Nacht zuvor im asiatischen Teil der Stadt gelandet, die Straßen leer und ruhig. Im Hotel mit Tee und Lokum begrüßt und dann fiel ich müde ins Bett – meine erste Begegnung mit Istanbul war eine leise. Doch nun werde ich eines besseren belehrt: Jetzt, auf den Straßen des alten Istanbuls in Sultanahmet, ist es laut und wild. Viele Menschen, Einheimische und Touristen gleichermaßen, reden und lachen laut, trotzen der eisigen Kälte mit frischem Çay, der rot in geschwungenen Gläsern die Hände der Verkäufer, Verabredeten und Reisenden wärmt. Auch meine Hände sehnen sich nach etwas Warmem, auf diese Kälte bin ich kaum vorbereitet. Von den Baklava im Schaufenster verführt, betrete ich ein Café. In der ersten Etage setzen wir uns an die Glasfront mit Blick auf eine Tram-Haltestelle, eine Kreuzung, ganz dahinten erahne ich den Bosporus.

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Ich war noch nie in der Türkei. Von Zeit zu Zeit trank ich in Deutschland einen Mocca, daheim zubereitet und kein Vergleich zu dem, was ich jetzt beim Probieren meines ersten türkischen Kaffees schmecke. Pistazien-Baklava verklebt mir den Mund, doch ich soll ja auch nicht reden, nur genießen. Und ich genieße weiter. Denn von hier oben sehe und höre ich: das stete Treiben an der Kreuzung vor mir. Männer, die sich lautstark und mit viel Gelächter unterhalten. Das plötzliche Hupen der Autos, immer und eigentlich überall. Die zuerst fremden und dann faszinierenden Gesänge aus den Minaretten. Und die gelben Taxis, die um die Gunst der Touristen buhlen, denn die bevorzugen bei dem nass-kalten Wetter eher ihr warmes Hotelzimmer.

Fünf Tage lang werde ich Istanbul erkunden. Anders als auf meinen bisherigen Reisen werde ich mich aber nicht unbedingt nur treiben lassen, nein. Ich habe Lust auf Sightseeing. Ich habe Lust, frische, warme Simit bei den netten Verkäufern mit ihren roten Wägelchen zwischen Hagia Sophia und Blaue Moschee zu kaufen. Ich will mich in den unzähligen Gängen und Straßen des Grand Bazaar verlaufen. Und ich möchte die türkische Küche kennenlernen.

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Essen wie zu Sultans Zeiten

Gleich am Abend bietet sich dazu die perfekte Gelegenheit. Das Restaurant Deraliye hat sich der osmanischen Küche verschrieben: Originale Zutaten, traditionelle Gerichte und das in einem modernen, orientalischen Ambiente. Der Geschäftsführer Necati Yilmaz begrüßt uns, führt uns zu unserem Tisch und fragt uns gleich, ob wir ihm vertrauen. Machen wir. Er lächelt charmant und verspricht uns ein typisches Menü mit allem, was die osmanische Küche zu bieten hat. Ich mag Überraschungen. Und vor allem Menschen, die überzeugt sind von dem, was sie tun und dies mit Leidenschaft an ihre Gäste weitergeben.

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Zu Beginn gibt es Hibiskus-Saft. Dann folgen vier Gänge, die leckerer nicht sein könnten und nach etwas ganz Neuem schmecken. Intensive Gewürze, süß, scharf, sauer und eine neue Kombination mir eigentlich bekannter Zutaten. Neben Klassikern wie gefüllten Weinblättern und Humus schmecken Ispanaki Piruhi, eine Art türkische Ravioli, besonders gut. Das Lamm so zart wie noch nie, die Muscheln intensiv, eine Art Blätterteigkuchen gefüllt mit Lor und Honig ist süß und pikant zugleich. Der Abschluss das Dessert, ich bin schon mehr als satt, doch unglaublich zufrieden, ein ungesüßter Mocca zum Abschied und ich falle glücklich ins himmelweiche Hotelbett.

Ein wenig Demut

Der Himmel hat die Stadt inzwischen mit mehr als ein wenig Puderzucker bedeckt. Auf dem Weg zur Blauen Moschee liegen dicke Schneeflocken in der Luft, meine Füße sind bereits jetzt aus Eis. Im Innenhof der Blauen Moschee ist es wärmer, der Wind zieht hier nur durch einzelne offene Tore und der Schnee fällt irgendwie ein wenig langsamer auf den 300 Jahre alten Stein. In der Moschee selbst ist es ruhig und wunderschön. Wenn sakrale Bauten mich bisher immer mehr als kalt ließen, belehrt mich dieser Moment eines Besseren: Ich fühle mich klein, aber so voller Kraft. Alles ist friedlich, ein jeder Mensch – ob interessierter Besucher oder gläubiger Moslem – ist gerade nur bei sich selbst.

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Die Hagia Sophia ist steinalt und gütig: Sie gab bereits mehreren Religionen einen Zufluchtsort. Aktuell als Museum frei begehbar, laufe ich durch die weiten Hallen, hinauf in die oberen Stockwerke, vorbei an mehreren Katzen, die hier einen warmen Schlafplatz suchen und die ein oder andere Streicheleinheit. Es ist schön hier, beeindruckend, malerisch und während ich mir bewusst mache, wieviele Jahrhunderte und Jahrtausende dieses Gebäude hier bereits seine Wurzeln schlägt, legt sich ein weißer, schwerer Schnee auf das frühere Konstantinopel.

Auf zum Wasser

Ich halte noch einen weiteren Tag durch. Eine Erkältung bahnt sich an, doch der Himmel ist strahlend blau und sämtliche Straßen strahlen weiß, ein letzter perfekter Ausflugstag, bevor ich das Hotel genießen und so schnell nicht mehr verlassen werde. Der Plan: Eine lange Bootsfahrt auf dem Bosporus, über die Galatabrücke schlendern und durch die Straßen Karaköys flanieren.

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Auf dem funkelnden Bosporus weht ein kalter Wind, die Luft ist klar und die Möwen begrüßen uns freundlich auf dem Schiff, mit welchem wir einige Stunden lang den Geräuschen der Stadt zu entfliehen versuchen. Die Sonne wärmt mich so gut sie kann, alles ist gefroren und doch setze ich mich nach draußen, es gibt heißen Çay zur Stärkung.

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Danach werde ich vom Geruch frisch gebratener Fische und frischer Simit an Land begrüßt. Ich beschließe, mir das legendäre und so ersehnte Fischbrötchen noch ein wenig aufzuheben und erst später zu essen, schlendere über die Galatabrücke und beobachte die Männer mit ihren Angeln.

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Drüben in Karaköy gibt es Kaffee und einen glutroten Sonnenuntergang. Die Straßen hier sind steil und eng und leider auch glatt, nur langsam komme ich voran und laufe vorbei an kleinen Boutiquen, modernen Cafés und gut duftenden Kebab-Ständen.

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Das Hotel

Ich bin krank. So richtig. Und genieße nun zwei Tage lang das Hotelleben. Von meinem Hotelzimmer im wunderschönen Sura Hagia Sophia Hotel & Spa sehe ich wann immer ich mag die Hagia Sophia und fühle mich nicht so ganz außen vor. Der Service ist super, die Sauna hilft beim Erholen, das Bett ist mehr als bequem.

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Salep, ein heißes und sehr wohltuendes Milchgetränk, laut dem Hotel Manager die beste Medizin gegen alles, ist nun meine erste Wahl. Verwöhnt werde ich mit köstlichen Lokum aus dem hoteleigenen Laden und einem tollen Frühstück, jeden morgen mit türkischen Spezialitäten. Und ja, ich schaffe es sogar noch auf die Dachterasse und habe hier einen einzigartigen Blick über ganz Istanbul.

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Und dieser entschädigt auch dafür, dass ich nun keine Zeit mehr für Fischbrötchen und die asiatische Seite Istanbuls habe, die ich nun nur noch bei Abflug kurz sehen werde. Er entschädigt auch für den Nichtbesuch des Istanbul Modern, von dem ich nur gutes hörte und welches ich leider nicht besuchen konnte. Und für all die anderen Dinge, die noch auf meiner Liste standen.

Dafür erlebte ich Istanbul im Schnee und hatte viele tolle, sehr freundliche, zuvorkommende und eindrucksvolle Begegnungen in der Stadt, von der ich kaum eine Vorstellung hatte, gemeinsam mit Momenten, die meinen Blick weiteten. All dies lässt nur einen Schluss zu: Meine Schöne, wir müssen uns wiedersehen. Und dann essen wir Fischbrötchen.

Die Reise wurde unterstützt von Sura Hotels & Tourism Group.

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Stella Pfeifer

Studiert und arbeitet in Kassel, doch am liebsten fährt sie durch fremde Landschaften oder mit der Belgrader Straßenbahn. Und schreibt darüber. Immer mit dabei: Ein Notizbuch und ein kleiner Beutel voller Fotofilme, denn ihre Reisen fotografiert sie ausschließlich analog. Was sie noch mag? Gespräche. Mehr dazu auf: fünfpluszwei.de.

  1. Jean says:

    Hallo Stella,
    Wow, was für ein Artikel! Super schöne Bilder und sehr inspirierend! :)
    Habe auch gerade über die Türkei geschrieben und würde auch sehr gern mal nach Istanbul, die Geschichte der Stadt interessiert mich sehr :)
    Liebe Grüße, Jean

  2. Yvonne says:

    Auch auf meiner Liste steht Istanbul schon sehr lange und nach dem Lesen Deines Artikels will ich nun unbedingt dorthin – sofort! :-) Danke, dass Du uns mitgenommen hast!

  3. Hallo Stella,

    ein schöne Artikel. Istanbul ist auch im Winter ein tolles Reiseziel für eine Städtereise. Immerhin ist das Wetter immer noch so viel angenehmer als in Paris, London. Besonders nach dem 12. Jänner ist es gut ein paar Artikel aus der Stadt zu lesen. Ich werde in den nächsten Wochen auch ein wenig mehr über Istanbul schreiben.

    (5 Tage sind schon ohne Erkältung ein wenig zu kurz für die Stadt. Im Sommer kommen noch die Strände und das Umland rund um Istanbul dazu.)

    lg Thomas

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  6. Burak says:

    Hallo Stella,
    danke, dass du meine Lieblingsstadt so schön beschrieben hast. Am schönsten kommt die Stadt meiner Meinung nach im Frühling und Sommer zur Geltung. Es gibt neben zahlreichen geschichtsträchtigen Orten auch viele Erholungsorte zu sehen. In einigen deiner besuchten Restaurants war ich auch schon. Es ist immer wieder ein Genuss :)

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