Ägyptens Wüste, die schöne, die libysche (1): Oasen

Angereist mit der romantischen Vorstellung, dass Oasen aus kleinen Wasserstellen bestehen, die von Palmen gesäumt sind und an denen sich Kamele nach langer und beschwerlicher Reise wieder auftanken, waren wir doch etwas überrascht als wir in Kharga ankamen.

Keine Kamele, kein Wasserloch, nicht mal Brunnen bekamen wir zu sehen, stattdessen eine hässliche Kleinstadt. Die Oasen räumten im Verlauf der Reise sowieso mit jeder unserer Klischeevorstellung auf.

Ägypten Oase KhargaÄgypten Oasen Kharga

Ägypten Oasen Kharga

Der Weg

Kharga ist die größte der fünf ägyptischen Oasen in der libyschen Wüste, zählt irgendwas über 50.000 Einwohner und ist besonders; abgesondert, auch vom Tourismus. Die Anbindung ist schlecht, die Anreise war harte Arbeit.

Ägypten Oase

Ausgangspunkt ist der Tempel in Kom Ombo. Luftlinie nach Kharga 250km. Zu fahrende Strecke 700km. Der Plan: über Asyut nach Kharga – die einzige Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Realität: Die Tempelanlage in Kom Ombo ist recht gut besucht, man sollte meinen es gibt dort Taxen oder die für Ägypten typischen Minibusse (in etwa wie VW Busse), um zum Bahnhof zu kommen. Doch Ägyptens Tourismus spielt sich auf dem Wasser nicht auf dem Land ab. Es stehen keine Taxis bereit. Vielleicht der Revolution geschuldet, schließlich liegen auch grad mal zwei Nilkreutzer vor Anker. Mit Mühe können wir einen Pick-up Fahrer mit beträchtlich zu viel Geld überzeugen uns dorthin zu fahren, wo wir in ein Gefährt Richtung Luxor steigen können. Wir landen auf einem Minibusbahnhof.

Ägypten Oase Dakhla

Ein Sammeltaxi soll noch Platz haben. Im PKW für 8 sitzen auch erst 15. Der Beifahrersitz ist frei. Wir sind zu zweit. Wenn jemand mit ordentlich Druck die Autotür von außen schließt, passen auch zwei Leute auf diesen einen Sitz.
Und bei jedem Halt wieder das Unmögliche: Es steigt noch jemand dazu.
Es ist Mittagszeit, um die 35 Grad, die Sonne steht senkrecht, mein rechter Arm liegt unbeweglich auf der Autotür, die Sonnencreme ist im Gepäck, von dem wir uns nicht vorstellen können, dass es auch ins Auto gepasst hat.
Nach drei Stunden Fahrt hat mein Ellbogen eine ungesunde Färbung, aber wir sind in Luxor bzw. in der Nähe. Um zum Bahnhof zu kommen, müssen wir noch einmal umsteigen.
Das waren die ersten 172km.

Ägypten Oase Kharga

Beim Ticketschalter in Luxor dann: „No Tickets“ – „Why?“ – „No Tickets“. Nächster Schalter selbes Spiel. Schalter Nummer 3 antwortet uns überhaupt nicht und fertigt einfach den nächsten ab. Die Touristenpolizei will helfen, spricht aber kein englisch. Irgendwann dann eine uns verständliche Begründung: Streik! Es gibt für niemanden Tickets. Die Revolution ist im Gange (April 2011) und das ägyptische Schienennetz durch Demonstranten lahmgelegt. „Bis wann?“ – „Morgen, vielleicht übermorgen, In schā’a llāh“.

Ägypten Oase Kharga

Wir heuern einen privaten Fahrer nach Kharga an. Die einzige Möglichkeit um trotz Streik in die Wüste zu kommen. Er bekommt beinahe ein Monatsgehalt, wir zahlen umgerechnet 80Euro für 350km. Immerhin verkürzt sich die Strecke um gut die Hälfte und wir haben Platz im Auto. Purer Luxus so ein Taxi nur für zwei Personen!

Mit kiffendem Fahrer, 140 km/h, geöffneten Fenstern und ägyptischer Musik, die gegen den Fahrtwind entsprechend laut aufgedreht wird fahren wir vorbei an Bergen, Ebenen, Sanddünen, weißen Felsen, schwarzem Sand und viel Nichts. Vereinzelt ein paar Bushaltestellen oder Zuggleise, teils schon von der nächsten Düne überwandert. Dafür aber viele Militärkontrollpunkte, wovon der letzte eindeutig so wirkte als würden wir nicht durchgelassen.

Ägypten Oasen Kontrollstation

Das arabische Gespräch klang für uns wie folgt:
Militär: „Wohin?
Fahrer: „Kharga
M: „Woher kommen die Insassen?
F: „Deutschland
M: „Nach Kharga geht’s nicht. Gesperrt.
F: „Aber die sind aus Deutschland.
M: „Nein, das geht nicht.
F: „Aber die sind aus Deutschland.
M: „Nein.
Das Taxi fährt durch die Absperrung. Wir haben Fragezeichen im Gesicht. Sprachkenntnisse wären von Vorteil.

Kharga

Die Touristenpolizei wurde über unsere Ankunft in Kenntnis gesetzt und will über jeden unserer Schritte informiert werden. Das ist so üblich in Kharga und keine Schikane, sondern dient den übertriebenen Sicherheitsmaßnahmen, obwohl noch nie was gegen Touristen dort vorgefallen ist. Trotzdem können wir uns freier und ungestörter Fortbewegen als bisher auf der Reise.

Ägypten Oase

Wer schon einmal in Ägypten war, der weiß mit welcher außergewöhnlichen Penetranz und Ausdauer einem die vermeintlichen Schätze des Landes wie Plastik-Pyramiden oder garantiert echte Papyrusrollen angeboten werden. Das passiert einem nicht in Kharga, auch nicht in den anderen Oasen. Die Oasianer sind fürchterlich nett und hilfsbereit – ganz ohne Bakschisch.

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Ägypten Oase Kharga

Doch Kharga vermag uns nicht zu fesseln. Die paradiesisch klingenden Palmengärten entpuppen sich als wild wuchernde Palmenwälder. Die Kakerlaken in unserem Hotelzimmer sind gewiss auch Schuld daran. Die Stadt selbst hat außer einem sehr kleinen alten Stadtkern nichts zu bieten, die Sehenswürdigkeiten liegen alle außerhalb. Die meisten nur mit 4×4 Fahrzeug zu erreichen. Zum ältesten christlichen Friedhof der Welt (al-Bagawat) kommt man immerhin mit einem Taxi.

Ägypten Oase Kharga - Ältester christlicher Friedhof der Welt

Wir treffen sogar auf Same Abdel Rihem, ein geistreicher Ägyptologe, der schier begeistert davon ist, dass wir den Lonely Planet im Gepäck haben. Er weiß, dass er drin steht, hat es aber noch nie selbst gelesen. Seine Einladung zum Abendessen müssen wir bedauerlicherweise ausschlagen, die Atom-Kakerlaken ertragen wir nicht noch eine Nacht. Wir fahren weiter nach Dakhla.

Dakhla

Diese Oase besteht aus vielen kleinen Ortschaften, hat zwar weniger Einwohner als Kharga wirkt aber trotzdem lebhafter. Es gefällt uns auf Anhieb. Wir quartieren uns im Bedouin Camp – El Dohous Village ein. Es ist grandios, wird von herzlichen Beduinen geführt und liegt zwischen den beiden größeren Ortschaften Mut und Al Qasr. Ringsum Felder und die Wüste, perfekt für endlose Spaziergänge.

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Ägypten Oasen Dakhla

Ein paar heiße Quellen lassen sich gut zu Fuß erreichen. Meine grenzenlose Phantasie versprach mir lagunenartige Szenerien. Doch das heiße Wasser sprudelt in Betonbecken hinein. Die Quellen sind an Feiertagen ein beliebtes Ausflugsziel für Familien; an einigen haben kleinere Kioske eröffnet, die Atmosphäre ist einwenig wie hier im Freibad.

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Ägypten Oase Dakhla

Um in die Ortschaften zu kommen muss man die Minibusse und Pick-ups nutzen, die unregelmäßig fahren und jedesmal überfüllt sind. Doch sie halten trotzdem, wir werden überall untergebracht; sei es auf dem Schoss von Einheimischen oder hinten auf dem Vorsprung stehend.

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Ägypten Oasen

Die alten Stadtkerne von Dakhla sind zerfallen. Ursprünglich baute man aus Lehmziegeln eine burgartige Stadt mit schmalen Gassen und kleinen Fenstern. Ein optimaler Schutz gegen Angreifer, Sonne und Sandstürme. In Al Qasr kann man sich davon selbst überzeugen. Der Ort wurde unter Denkmalschutz gestellt und wird langsam wieder in seiner ursprünglichen Form errichtet. Daher kostet es auch ein Eintritt und eine obligatorische Führung.

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Ägypten Oase Al Qasr

Die neuen Stadtteile bestehen aus breiten Straßen, wo man vergeblich nach schattigen Ecken sucht gesäumt von Wohnblocks, die riesige Sonnenprojektionsflächen bieten und sich gnadenlos aufheizen.

Ägypten Kharga Strasse

In Mut sind ein paar alte Lehmziegelhäuser tatsächlich noch bewohnt. Während wir zwischen den Ruinen umherstreifen bleiben wir natürlich nicht unbemerkt, ein paar Kinder haben uns entdeckt und führen uns nach oben, wo man einen 360° Blick über die ganze Oase genießt.

Ägypten Oase Dakhla Mut

Die drei sind Brüder und nutzen die Gelegenheit ihr Englisch zu praktizieren und ein Daumen-Wrestling auszufechten. Muhammed Ali gegen Joe Frazier, Obama gegen McCain, Kahn gegen Lehmann – es gab schon viele legendäre Duelle, in Dakhla kam ein weiteres hinzu:
Ein Daumenkampf mit Ahmed.

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Ägypten Oasen Mut Dakhla

Reiseführer Empfehlung: Ägypten Individuell, Will Tondok von Reise Know-How*.
Der Reiseführer hat einen ausführlichen Teil zur libyschen Wüste on- wie off-Road (wird im Lonely Planet* zu kurz abgehandelt), mit Verbindungen, zuverlässigen Zeit- und Preisangaben.
Äußerst empfehlenswert auch die Abschnitte zur Verhaltensweise in den Oasen und Checklisten auf was man unbedingt achten sollte bei einer Wüstensafari oder einer Felukenfahrt.

Hier geht’s zu Teil 2: Ägyptens Wüste, die schöne, die libysche (2): Sand & Skulpturen – Ein Fotoessay.

* = Affiliate-Link.

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Marianna

Marianna ist Hamburgerin mit griechischen Wurzeln, studierte in Berlin Literatur-, Kultur- und Rechtswissenschaften und arbeitete in Indien, Griechenland und München. Sie lebt in Berlin, ist als Autorin, Webdesignerin und Fotografin tätig und ist süchtig nach frischem Koriander.

  1. Seiltanz says:

    Wow, vielen Dank für’s mitnehmen auf diese Reise.
    Ich habe noch nie davor einen Bericht über die ‚Oasen‘ gesehen, gelesen oder gehört. Völlig neue Eindrücke. Und ein bisschen mehr Brunnen hätte ich schon erwartet ;-)
    btw: Ganz tolle Bilder

    LG
    Manuela

  2. Jonas says:

    Wenn ich ehrlich bin, hab ich mir Oasen auch immer ganz anders vorgestellt. Ein weiterer Teil meiner Disney-Kitsch-Romantiker-Traumwelt, die sterben musste… ;)
    Interessanter Einblick (+tolle Bilder)!

    1. Marianna says:

      Das Disney Schloss gibt’s ja auch in Wirklichkeit, vielleicht gibt’s die Disney Oasen ja auch irgendwo, aber zumindest nicht in Ägypten ;)

  3. Margit says:

    Wirklich super schöne Bilder hast Du da gemacht. Ich war auch schon in Ägypten weit ab von den Touristenströmmen. Nur so kann man das wirkliche Leben der Einheimischen kennen lernen. Leider habe ich als Mitteleuropäer Gesundheitliche Probleme wegen dem dortigen essen bekommen. Gott sei Dank war ich gut versichert. Eine Auslandskrankenversicherung halte ich für ein muß. Wie siehst Du das nach Deinen Erfahrungen ? Gute Infos zum Thema habe ich hier gefunden. http://www.reiseruecktrittsversicherung.org/auslandskrankenversicherung-wuerzburger/

    1. Marianna says:

      Danke für den reizenden Werbelink und das Lob. Nein, ich hab überhaupt keine Schwierigkeiten mit dem Essen in Ägypten gehabt und buche in der Regel auch keine Reiserücktrittsversicherungen. Wenn, dann nur für sehr teure Flüge. Gott sei Dank, hab ich sie bisher noch nie gebraucht.

  4. Einmal mehr wunderschöne Photos, die Du gemacht hast! Danke für die vielfältigen Eindrücke aus verschiedenen Oasen. Im Islam symbolisieren die Oasen das Paradies – das finde ich eine sehr schöne Metapher. Liebe Grüsse!

    1. Marianna says:

      Danke, danke! Ja, stimmt eine schöne Metapher. Auch wenn einige Oasen gar nicht mehr so paradiesisch aussahen. VG

  5. Pingback:Fotos aus Ägyptens Wüste - Sahara - Libysche Wüste

  6. Christina says:

    Marianna, allein schon der wunderschönen Bilder wegen und der einzigartigen Erfahrungen (ob positiv oder negativ), die Ihr während Eurer Reise in die Oasen gemacht habt, solltet Ihr dankbar sein. Ich lebe in Ägypten und habe viele Male solche Kommentare von Touristen gehört, die einfach mit falschen Vorstellungen auf Reisen gehen. Ägypten ist so. Mit allem Guten und Schlechten. Und wenn man die Magie dieses Landes nicht spürt oder erlebt, dann ist es leider einfach ein weiterer abgehakter Punkt auf der Reiseliste. Mein Tip zur Vermeidung von Enttäuschungen: wissen, wo man hinreist und die Erwartungen dementsprechend anpassen. Reiseliteratur hilft da sehr.

    Viel Spass beim nächsten Urlaub!

    1. Marianna says:

      Liebe Christina,

      danke für dein Feedback. Ich möchte aber unbedingt klarstellen, dass Desillusionierung nicht mit Enttäuschung gleichzusetzen ist.
      Nur weil ein Ort meinen Erwartungen nicht entspricht, resultiert daraus – bei mir zumindest – keine Enttäuschung.
      Ich hoffe eigentlich, dass der Reisebericht hier nicht so falsch verstanden wird, dass es sich bei meinen Oasen Besuchen um ein enttäuschendes Erlebnis gehandelt hat. Im Gegenteil!

      VG
      Marianna

  7. Dietmar Philipp says:

    Tolle Erlebnisse- andere Länder, andere Sitten, alles für die Völkerverständigung

    Hallo, liebe Menschen,

    ich bin mit meiner Familie allein 14 mal in Ägypten gewesen, es war immer wieder mit neuen Eindrücken sehr schön, in Fortsetzung haben wir Tunesien und Marocko bereist und sehr schöne Erlebnisse gehabt, möge diese friedliche Welterkundung zur Verständigung aller Menschen beitragen!!!

    Mit freundlichen Grüßen an die gesamte Welt

    Dietmar Philipp/ 21.08.2022

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